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Evangelisch-Lutherische Gemeinde – Marijampole 1940-1995

 

Nach der Okkupation Litauens durch die Sowjetarmee wurde die evangelisch-lutherische Kirche in Marijampole geschlossen, beschädigt, das kirchliche Reichtum verwüstet, das Kreuz und die Glocke vom Turm weggeschafft. Manche Mitglieder der Gemeinde flüchteten ins Ausland, die anderen wurden nach Sibirien verbannt.

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Nach dem Krieg wurden in der Kirche Lagerräume eingerichtet, später ein Sportsaal und eine Schwimmhalle.

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Am 11.03.90 wird die Unabhängigkeit Litauens erklärt. Frau Lidija Narusiene, vom Bischof Kalvanas ermutigt, versucht die Gemeinde wiederherzustellen: Frau Lidija fährt durch die Gegend, sucht in der Stadt nach den gebliebenen Lutheranern. Und am 5.Mai 1990 findet in ihrem Haus der erste Gottesdienst statt, daran nehmen 28 Personen teil. Alle sind glücklich, wieder, nach einer 50-jährigen Pause, frei zusammenkommen zu können, durch Gebete und Gesang den Herrgott preisen zu können. Es wurde der Vorstand gewählt, der sich gleich zu bemühen begann, die Gemeinde ins Register bei der Stadtverwaltung einzutragen. Es wurden Bemühungen gemacht, damit die Kirche und das ehemalige Pfarrerhaus der richtige Besitzer – die Gemeinde -zurückbekommt.

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Man hatte damals den Gottesdienst einmal monatlich im Saal der städtischen Musikschule. Jeden Sonntag versammelten sich die Gläubigen im Haus von Frau Narusiene, und lasen die Heilige Schrift ohne Pfarrer, beteten, sangen heilige Lieder. Zugleich wurde eine kleine Chorgemeinschaft aus 15 jungen Leuten gegründet, seine Leiterin wurde Frau Frida Lakomina.

Am 30. Oktober wurde endlich das Gebäude der Gemeinde zurückgegeben. Das Gebäude war leer, ein jeder brachte etwas mit – einen Stuhl, einen Teppich, einen Bücherschrank. Das Kreuz und die Kerzenhalter schenkte Frau Narusiene, das Bild – Frau Pridotkiene. Einige Möbelstücke spendeten private Unternehmen. Auf solche Weise wurden ein kleiner Saal für den Gottesdienst, die Kanzlei, ein Raum für die sonntägige Schule ausgestattet. Den Gottesdienst halten wir jetzt im ehemaligen Pfarrerhaus, neben der Kirche.

Die sonntätige Schule besuchen 20 Kinder. Mit Vorschulkindern beschäftigt sich Frau Onute Kaluskeviciene, mit Schulkindern, Konfirmanten – Frau Liuda Lioranciene.

Es musste aber nicht nur die erwähnte Tätigkeit geleistet werden, man musste die Gebäude wiederaufbauen oder erneuern. Die Gemeinde wurde viederhergestellt, die Stadt aber unterbrach die Renovierung der Gebäude. Ausser dem Pfarrerhaus waren andere Gebäude nur von aussen renoviert. Man brauchte einen Projekt für die Kirche und Hilfsräume und Kosten, um die Renovierung fortsetzen zu können. Die Gemeinde ist nicht gross, kaum 100 Personen, die Stadt hilft nicht mehr. Die Situation sieht hoffnungslos aus. Aber der Gott erwies uns seine Gnade, er erhörte unsere Gebete. Er schickte uns zur Hilfe unsere Glaubensbrüder und Schwestern aus dem Ausland: aus der Nordberg – Gemeinde Stadt Oslo, Norwegen, aus der Detmold-Gemeinde, Deutschland, aus der Refrath-Würfels -Gemeinde Stadt Bergisch Gladbach, Deutschland, aus der der Stadt Aalborg, Dänemark. Durch die endlose Liebe an die litauische evangelische Kirche des Pfarrers aus der Stadt Blomberg Deutschland und dank seiner Bemühungen bekamen wir den Hauptteil der Kosten für den Wiederaufbau der Kirche. Sehr viel trug dazu Herr Gustav Adolf Werk, Evangelische Akademie Hofgeismar, bei, einzelne Personen, die in Marijampole aufhielten. Mann kann nicht umhin, Herrn Kurt Velius, Frau Vanda Habermaz, Herrn Adolf Hansen und noch viele andere zu bemerken. Es ist sogar schwer, alle zu erwähnen.

Wir finden einfach keine Worte, unsere aufrichtige Dankbarkeit an alle auszusagen, die dem Wiede­raufbau der Kirche beigetragen haben. Wir meinen, die beste Danksagung wäre unser gemeinsames Gebet und Gesang zu Gottes Ehren im wiederaufgebauten Gotteshaus.

Wir sassen auch nicht, Hände in Schoss gelegt, nur auf die Hilfe wartend. Ein jeder machte unengeltlich mit, soviel er konnte, beim Wiederaufbau der Kirche, räumten die Zimmer, den Hof. Wir haben einen Leichensaal und einen gemütlichen Erholungsraum eingerichtet, wo man während des Traurerrituals sich ausruhen, eine Tasse Kaffee trinken, eine Trauermalzeit machen kann. Den Saal benutzen wir auch für unsere Zusammenkünfte. Einen wohltätigen Laden haben wir auch eröffnet, dort verkauft man für ganz kleine Preise Kleidungsstücke und Schuhe, die wir als humanitäre Hilfe erhalten. Auf solche Weise hat man ein bisschen Einkommen für edürfnisse der Kirche.

Recht schade, das es in der Gemeinde nur wenige junge Leute gibt. Es fällt der Jugend schwer, zum Gott zurückzukehren. Das ist aber verständlich. In der Sowjetzeit wurde es ihnen schon im Kindergarten erklärt, es gebe keinen Gott, der Mensch stehe über allem. Wir sind aussergewöhnlich dankbar der Nordberg-Gemeinde Norwegens, die im Sommer 1994 ein Ferienlager am Wischtitis-See für die Jugend veranstaltet hat. Aufrichtiges Glauben an Gott der Altersgenossen ist ein Vorbild für unsere Jugend, dies kann ihnen den Rückweg zum Gott erleichtern.

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Es fehlt uns an Erfahrung in der Tätigkeit der gemeinde. Da wir keinen Pfarrer in der Gemeinde haben, wird dadurch unsere Tätigkeit noch schwerer. Aus diesem Grund haben wir den Gottesdienst nur einmal monatlich. Obzwar wir uns jeden Sonntag versammeln und die Heilige Schrift lesen, aber eine gemeinde ohne Pfarrer – wie eine Schafsherde ohne Hirt.

Es freut uns sehr, dass in Klaipeda die Evangelisch-theologische Fakultät wiederhergestellt ist und zwei junge Mitglieder unserer Gemeinde daran studieren, und zwar: Herr Vaidas Klesevicius wird Pfarrer werden, Frau Daiva Radzeviciute – Religions- und Litauischlehrerin.

Obwohl “wir haben allenthalben Trübsal, aber wir ängsten uns nicht. Uns ist bange, aber wir verzagen nicht. Wir leiden Verfolgung, aber wir werden nicht verlassen. Wir werden unterdrückt, aber wir kommen nicht um“ (2.Kor.4. 8-9)

Gottes Worte gingen in Erfüllung: “Trachtet am ersten nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch solches alles zufallen“ (Mt. 6.33)

“Gelobt sei der Herr täglich, Gott legt uns eine Last auf, aber er hilft uns auch.“ (Ps. 68,20)

 

Ruta Kleseviciene

Vorsitzende des Gemeindevorstands

 

Evangeliker-Lutheraner in Litauen

 

Neben der römisch-katolischen, ortodoxen, altgläubigen Kirche gibt es in Litauen auch die evangelisch-lutherische Kirche, die eine der grössten ist. Der grosse Reformator Prof. Dr. Martin Luther ist Gründer dieser Kirche.

  1. Kulvietis war der erste, der Martin Luthers lehre in Litauen, in Wilna, Anfang des 16. Jahrhunderts zu verkünden begann. Er war persönlich mit Martin Luther bekannt und hörte seine Vorlesungen an Wittenberger Universität.

Im Jahre 1555 begann man mit dem Bau der ersten evangelisch-lutherischen Kirche in Wilna und im Jähre 1567 in Taurogen. Von 1555 bis zum 1940 wurden in Litauen, einschliesslich Memelland, 73 Kirchen gebaut. Im Jähre 1939 funktionierten 83 evangelische Gemeinden mit etwa 250.000 Gläubigen.

Evangelisch-lutherische Kirche hat für ihre Heimat viele bedeutende Persönlichkeiten erzogen. Als erster ist M. Mazvydas und sein erstes litausches Buch “Katechismus“ zu erwähnen, das auf Kosten vom preussischen Fürsten Albrecht herausgegeben wurde. Sowie dr. St. Rapalionis, Dr. A Kulvietis, J. Bretkunas, J. Reza, K Donelaitis, Dr. Starosta (Vydunas), und viele andere, die heutzutage in Litauen leider schon vergessen sind.

Kirchen wurden während des Krieges zerstört oder verbrannt. Am traurigsten ist aber die Tatsache, daß in den Nachkriegsjahren infolge der sozialistischen Propaganda und der Tätigkeit der zerstörenden Kräfte aufgrund des Haßes gegen Gläubige im Zeitraum vom 1945 bis 1990 25 Kirchen enteignet, zerstört oder in Lagerräume, Sporthallen verwandelt wurden. Ein Teil von ihnen ist bis jetzt den Gläubigen noch nicht zurückerstattet. Im Moment gibt es nur 44 funktionierende Kirchen, 54 Gemeinden, die von 12 Pfarrern bedient werden. Nur etwa 30.000 Gläubige sind geblieben.

 

Das Material ist aus dem Buch “Kirchen und religiose Gemein­den in Litauen“ von J. Fabijonavicius entnommen.

 

In der Stadt Marijampole

 

Die ersten evangelisch-lutherischen Gemeinden entstanden in Suduva an der Wende des 18. Jahrhunderte, als hierher zur ständigen Wohnsitznahme die Handwerker aus Deutschland durch Ostpreußen kamen. Sie alle waren des evangelisch-lutherischen Glaubens. Unter Umsiedlern gab es auch Angestellte, intelektuelle Leute. Sie übten bestimmten Einfluß auf das kulturelle Leben unseren Landes aus. Man muss sagen, dass die Umsiedler langsam die Verbindungen mit ihren Bekannten und Verwandten in Deutschland verlieren und Sie wurden selbständig in Suduva. Ihre Kinder wussten schon nicht viel über die Vergangenheit ihrer Eltern und Vorfahren. Vielleicht nur die Namen, die sie nicht änderten, erinnerten sie an ihre Herkunft (dass sie deutschabstämmig sind, sagten sie sogar in gemischten Familien nicht ab). Sie hatten freundliche Beziehungen zu den Litauern, lernten schnell litauisch sprechen.

Im Jahre 1823 wurde von der Stadtbehörde in Marijampole ein altes Geschäftsgebäude erhalten und so ein Gebetshaus für die evangelisch-lutherische Gemeinde gegründet. Im Jähre 1831 kam der Pfarrer Karl Heinrich Lange. Durch seine Bemühungen wurde im Jahre 1841 eine neue Mauerkirche gebaut und eingeweiht.

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Wir möchten die Pfarrer der Kirche zu Marijampole und ihrer Filialen nennen: 1831-1849 – Karl Heinrich Lange; 1849-1872 – David Bergmann; 1872-1874-Radke; 1874-1893 – Karl Julius Pasternaci; 1894-1941 – Ernst Alexander Eichelberger.

 

Kurz gefasst von Povilas Jankys nach “Bilder aus der Geschichte des evangelischen Deutschtums in Litauen“.